Die freihändige Vergabe von öffentlichen Aufträgen

16. Februar 2022

Nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) beziehungsweise für Bauleistungen (VOB) besteht unterhalb der EU-Schwellenwerte die Möglichkeit einer freihändigen Vergabe.

Zwei Menschen schütteln sich die Hände, einer trägt eine orangefarbene Sicherheitsweste. Sie scheinen eine freihändige Vergabe zu besiegeln. Auf dem Tisch neben ihnen stehen ein gelber Bauhelm und ein Modellhaus. Sonnenlicht fällt durch die Jalousien. 10255185_880 / iStock / Getty Images Plus

Der Gesetzgeber sieht die "feihändige Vergabe" in begründeten Ausnahmefällen vor und bindet die Anwendung des vereinfachten Verfahrens an konkrete Bedingungen. Außerdem fordert er vom Auftraggeber, die Begründung der Entscheidung für ein solches Vorgehen zu dokumentieren.

Die im jeweiligen Teil A der VOB und VOL beschriebene freihändige Vergabe benennt die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in „Verhandlungsvergabe“ um. Damit hebt das herausgebende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das dabei generell vorgesehene Prinzip des Wettbewerbs hervor. Im Regelfall sind demnach die Angebotsinhalte mit den jeweiligen Interessenten zu verhandeln.

Das Verfahren der freihändigen Vergabe unterhalb der EU-Schwellenwerte

Seit Januar 2022 gelten die für zwei Jahre neu festgelegten Schwellenwerte der Europäischen Union. Für den Bausektor liegen sie beispielsweise bei 5.382.000 statt bisher 5.350.000 Euro, bei Dienst- und Lieferleistungen bei 215.000 Euro statt bisher 214.000.000 Euro. Unterhalb dieser Summen wählen die Auftraggeber regelmäßig frei zwischen einer öffentlichen Ausschreibung und der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb. Letztere kommt ohne Teilnahmewettbewerb ebenso wie das Verfahren der freihändigen Vergabe ausschließlich unter den im § 3 der VOB und der VOL aufgezeigten Voraussetzungen in Betracht.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine freihändige Vergabe

Das Verfahren der freihändigen Vergabe beziehungsweise Verhandlungsvergabe steht immer offen, wenn öffentliche oder beschränkte Ausschreibungen unzweckmäßig sind. Insbesondere gilt das für Fälle mit einem Auftragswert von bis zu 10.000 Euro ohne Umsatzsteuer. Speziell für Bauleistungen zu Wohnzwecken erhöht die VOB den Höchstbetrag auf 100.000 Euro. Diese für den Bund als Auftraggeber festgelegten Wertgrenzen passen die Länder für ihre Ebene und teilweise für die Kommunen an. Aufgrund der derzeitigen Coronavirus-Pandemie wurden in den jeweiligen Bundesländern besondere Wertgrenzenregelungen getroffen. Mitunter gibt es zusätzlich gesonderte Vorgaben für Verfahren nach VOB/A und die Verhandlungsvergabe nach VOL/A oder UVgO.

Der Gesetzgeber benennt in der VOB/A § 3a die folgenden zulässigen Begründungen für eine freihändige Vergabe von Bauleistungen:

  • Aufgrund besonderer Gründe wie dem Patentschutz, spezifischer Erfahrungen oder Geräte kommt lediglich ein bestimmtes Unternehmen infrage.
  • Durch die Wiederholung einer aufgehobenen beschränkten oder öffentlichen Ausschreibung ist kein annehmbares Ergebnis zu erwarten.
  • Eine Ausschreibung verspricht keine ausreichend vergleichbaren Angebote, weil sich der Umfang sowie die Art der Leistung vor einer Vergabe nicht erschöpfend festlegen lassen.
  • Der Auftraggeber bewertet die Leistung als besonders dringlich.
  • Die Geheimhaltung erfordert eine freihändige Vergabe.
  • Das Abtrennen eines kleineren Auftrages von einer bereits vergebenen größeren Leistung führt zu unvermeidbaren Nachteilen.

Für Lieferungen und Dienstleistungen, die nicht unter die VOB fallen, führt die UVgO im § 8, Absatz 4 weitere Details aus. Demnach bietet sich hier beispielsweise die Möglichkeit einer Verhandlungsvergabe bei wissenschaftlich-technischen Fachaufgaben für Projekte in der Forschung und Entwicklung. Waren und Leistungen dürfen allerdings nicht der Aufrechterhaltung der Infrastruktur oder des allgemeinen Dienstbetriebs dienen. Nach erbrachten Entwicklungsleistungen sind entsprechende Aufträge in angemessenem Umfang und Zeitrahmen an beteiligte Unternehmen ebenfalls zulässig. Darüber hinaus erlaubt die UVgO die Verhandlungsvergabe

  • für Aufträge, die innovative oder konzeptionelle Lösungen umfassen,
  • bei vorteilhaften Gelegenheiten, die sich im Ergebnis gegenüber öffentlichen und beschränkten Ausschreibungen als wirtschaftlicher erweisen,
  • an Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder
  • an Unternehmen mit dem Hauptzweck einer beruflichen und sozialen Integration Behinderter sowie
  • an Justizvollzugsanstalten.

Freihändige Vergabe mit und ohne Teilnahmewettbewerb

VOB und VOL ermöglichen die freihändige Vergabe an fachkundige, leistungsfähige Unternehmen sowohl mit als auch ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb.

Im ersten Fall fordern die Auftraggeber öffentlich dazu auf, Teilnahmeanträge abzugeben. Gleichzeitig sind durch die von der Anzahl nicht beschränkten Bewerber Unterlagen für die Prüfung ihrer Eignung sowie Informationen zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen beizufügen. Letztere benennt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in den §§ 123 und 124. Dazu zählen rechtskräftige Verurteilungen von dem Unternehmen zuzurechnenden Personen wegen bestimmter Straftaten oder ausstehende Zahlungen von Steuern und Abgaben für die Sozialversicherung.
Neben diesen zwingenden gibt es fakultative Ausschlussgründe, die nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit jederzeit Anwendung finden können. Darunter fallen die Zahlungsunfähigkeit eines Bewerbers oder nachweisliche Verstöße gegen arbeits-, sozial- und umweltrechtliche Auflagen.

Bei der freihändigen Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb wählt der Auftraggeber grundsätzlich wenigstens drei nicht auszuschließende Unternehmen aus. Deren potenzielle Eignung für eine vertragsgerechte Erfüllung des Auftrags bewertet er aufgrund der personellen, technischen und finanziellen Ausstattung vorab. Eine endgültige Prüfung erfolgt nach Abgabe der Angebote beziehungsweise im Rahmen der vor der freihändigen Vergabe vorgesehenen Verhandlungen.

Verhandlungsvergabe ohne förmliches Verfahren

Bei Zulässigkeit einer freihändigen Vergabe entfällt die Verpflichtung, ein förmliches Verfahren durchzuführen. Der öffentliche Auftraggeber entscheidet, mit wem er verhandelt und von wem er Angebote einholt. Bei ausreichender Dokumentation kann die Aufforderung zur Abgabe eines solchen sogar telefonisch erfolgen. Wie in der ansonsten üblichen schriftlichen oder elektronischen Form übermittelt die Vergabestelle die Inhalte der zu erbringenden Leistung beziehungsweise Vertragsbedingungen. Über das Gespräch fertigt sie einen entsprechenden Vermerk, den sie in der sogenannten Vergabeakte ablegt. Diese macht den gesamten Prozess der Entscheidungsfindung transparent und nachvollziehbar. Für alle Schritte gelten die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts unverändert. Dazu gehören das Verbot der Diskriminierung, die Gleichbehandlung der Bieter und das Fördern des Wettbewerbs.

Bei der freihändigen Vergabe verhandeln die Auftraggeber den gesamten Inhalt der zu erbringenden Leistungen. Das erfolgt in einem dynamischen Prozess als wettbewerblicher Dialog – bei Bedarf in mehreren Runden. Lediglich die Mindestanforderungen und die Zuschlagskriterien stehen vorher fest. Den Auftraggebern wie den Bewerbern verschafft das Verfahren den erwünschten Spielraum, die Vertragsbedingungen weitgehend frei zu gestalten beziehungsweise anzupassen. Die Mitbieter können bereits während der Angebotsphase mit der Vergabestelle über Leistungen, Preise und weitere Details verhandeln. Diese Aspekte spielen natürlich eine wichtige Rolle für einen Zuschlag. Zusätzlich kommen weitere Gesichtspunkte zum Tragen. Als solche gelten qualitative oder ästhetische Merkmale, Zeiträume für die Ausführung beziehungsweise vorgesehene Lieferfristen sowie zu erwartende Folgekosten. Mitunter wirkt sich außerdem die Rentabilität eines Projekts auf das Ergebnis der Verhandlungen und die Vergabe aus.

Nachverhandlungen im Rahmen der freihändigen Vergabe

Im Gegensatz zur öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung gilt das Verbot, Nachverhandlungen zu führen, für eine freihändige Vergabe nicht. Der Auftraggeber wendet sich dazu mit oder ohne öffentliche Aufforderung an ausgewählte Unternehmen. Auch den Bewerbern steht es frei, das eigene Angebot im Rahmen des Verfahrens zu modifizieren, nachzubessern oder nachträglich zu erweitern. Nicht selten ergibt sich erst nach einer Auftragsvergabe ein im Zusammenhang stehender zusätzlicher Bedarf an Bau- oder Dienstleistungen. Unter den beschriebenen Zulässigkeitsvoraussetzungen der VOB und VOL lässt sich dieser ebenfalls auf dem Weg der freihändigen Vergabe ohne formale Ausschreibung direkt verhandeln. Maßgeblich dafür sind die jeweiligen Schwellenwerte der Bundes- und Landesbestimmungen sowie das Beachten der Vorgaben zu Wettbewerb, Gleichbehandlung und Transparenz.

Die Vorteile der freihändigen Vergabe

Die Vergabe von Aufträgen im Verhandlungsverfahren setzt Kenntnisse über die dafür geeigneten Unternehmen voraus. Vielfach nutzen die Vergabestellen regionale oder ihnen bereits bekannte Anbieter mit einer guten Reputation. Bei einer formal einfacher umzusetzenden freihändigen Vergabe verbessern sich deren Chancen auf einen Zuschlag erheblich. Regelmäßige Kontakte und ein vertrauensvolles Verhältnis zahlen sich bei den jeweiligen Verhandlungen aus. Geringere Kosten sowie ein deutlich reduzierter Aufwand gegenüber einer Ausschreibung erleichtern eine schnelle und zielgerichtete Umsetzung von Vorhaben.

Die Anzahl der ausschließlich über günstige Preise agierenden Konkurrenten bleibt begrenzt. Davon profitieren die für eine Angebotsabgabe ausgewählten potenziellen Auftragnehmer. Sie punkten bei den Verhandlungen stärker mit ihren fachspezifischen Kenntnissen und dem Wissen über die örtlichen Gegebenheiten oder Bedingungen. Bei allem Bemühen um Kosteneinsparungen durch Wettbewerb bietet die freihändige Vergabe eine für öffentliche Auftraggeber wie Unternehmen ausgesprochen praktikable Alternative.


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